Thomas Müller

Der bodenständige Überflieger

Thomas Müller? Außer in Deutschland kannte den Jungspund vom FC Bayern vor der WM in Südafrika kaum einer. Nach dem Weltturnier kannte man ihn umso besser. Der 20-Jährige wurde nicht nur Torschützenkönig, sondern auch zum besten Jungprofi des Turniers gekürt. Es war der vorläufige Höhepunkt eines geradezu märchenhaften Aufstiegs.

Exakt zwei Minuten und 39 Sekunden waren im WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien gespielt, als Thomas Müller seine ganz spezielle Genugtuung erfuhr. Sein Treffer zum 1:0 gegen die Gauchos ging als das schnellste Tor der Weltmeisterschaft in Südafrika in die Fußballgeschichte ein. Am Ende stand aus Sicht der Südamerikaner ein historisches 0:4-Debakel, in dessen Folge Trainer Diego Maradona entlassen wurde. "Es war die schlimmste Niederlage meiner Karriere", gestand er später völlig deprimiert ein. Und Thomas Müller wird sich ins Fäustchen gelacht haben.

Von Maradona attackiert

Müllers Treffer gegen Argentinien hat eine besondere Vorgeschichte. Gut ein Vierteljahr zuvor, am 3. März, hatte er sein Debüt in der DFB-Auswahl gegeben - vor heimischem Publikum in München beim 0:1 im Testspiel eben gegen Argentinien. Den bizarren "Höhepunkt" seiner Länderspielpremiere erlebte er allerdings erst nach dem Abpfiff bei der Pressekonferenz. Als Müller auf dem Podium Platz nahm, flippte Maradona völlig aus. Weil er schlichtweg nicht wusste, wer dieser junge Mann war, forderte der argentinische Nationaltrainer lautstark und wild gestikulierend, man möge diesen Typen aus dem Saal werfen. Erst als man ihn aufklärte, dass es sich um einen deutschen Spieler handele, zeigte sich Maradona ein wenig besänftigt.

Es "müllert" wieder

Nach dem WM-Viertelfinale von Kapstadt durfte man sicher sein, dass nun auch Maradona den Namen Thomas Müller rauf und runter buchstabieren konnte. Der junge Mann, der noch gut ein Jahr zuvor für die zweite Mannschaft Bayern Münchens in der 3. Liga gekickt hatte, mischte unbekümmert die Weltbühne des Fußballs auf. Es "müllerte" wieder wie einst, als noch Namensvetter Gerd Müller die gegnerischen Strafräume unsicher machte. Wie der Uruguayer Diego Forlán, der Spanier David Villa und der Niederländer Wesley Sneijder hatte Thomas Müller in Südafrika fünf Tore erzielt. Weil er aber auch noch drei Assists auf dem Konto hatte, erhielt er den "Goldenen Schuh" als Torschützenkönig und wurde auch noch zum besten Jungprofi gewählt.

Deutschlands dritter WM-Torschützenkönig

"Es ist natürlich ein Wahnsinn, wenn du neu zu einer WM kommst. Wenn mir jemand acht Scorer-Punkte vorhergesagt hätte, hätte ich auch gesagt, ihr spinnt doch alle", sagte er anschließend in typisch flapsiger Diktion. Nach Gerd Müller 1970 und Miroslav Klose 2006 ist Thomas Müller erst der dritte deutsche Spieler, der sich bei einer WM die Torjägerkrone aufsetzen konnte. Es war das i-Tüpfelchen eines an Höhepunkten wahrlich nicht armen Jahres für den Münchner. Er erkämpfte sich in Bayerns Starensemble einen Stammplatz, feierte Meisterschaft und DFB-Pokalsieg und stand auch in jenem Münchner Team, das das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand 0:2 verlor.

Für den Gegner unberechenbar

Thomas Müller ist ein Instinktfußballer, was ihn neben dem Trikot mit der Nummer 13 und seinem Nachnamen mit seinem berühmten Namensvetter Gerd Müller verbindet. Im Gegensatz zum einstigen "Bomber der Nation" ist er aber nicht an eine feste Position gebunden. "Ich bin Offensivallrounder", sagt er. Und so wandert er über den Platz, taucht mal links, mal rechts auf, zuweilen auch im Sturmzentrum, dem einstigen Reich Gerd Müllers. Diese Flexibilität macht ihn für den Gegner unberechenbar. Auch die Engländer, denen er im WM-Achtelfinale zwei Tore einschenkte, werden sich mit Grausen an ihn erinnern. Er verkörperte genau jenes Überraschungsmoment, das der Löw-Truppe im verlorenen Halbfinale gegen Spanien fehlte, da Müller nach einem Handspiel Gelb-gesperrt war.

Auch die Herzen erobert

Mit seinen Fußballkünsten verschaffte er sich Respekt in der internationalen Fußballwelt. Mit seiner natürlichen, lockeren und witzigen Art eroberte der Mensch Thomas Müller auch die Herzen der Fans im Sturm: Etwa, als er bei der WM vor laufenden TV-Kameras die Großeltern in Deutschland grüßte. Oder als er ironisch, aber mit todernster Miene auf die Frage nach der Stimmung in Deutschland antwortete: "Die haben alle traurige Gesichter, haben schlechtes Wetter und kein Grillfleisch." Trotz seines märchenhaften Aufstiegs ist Müller der geblieben, der er war: authentisch, ungekünstelt, eben der "liabe Bua", wie ihn seine Oma nennt, der 1993 seine Karriere in der Jugend des TSV Pähl am Ammersee startete.

Frank Menke

Montage mehrerer Fotos Thomas Müller: im Zweikampf mit dem Argentinier Lionel Messi; bei einer Pressekonferenz; beim Jubel mit Miroslav Klose. Fotos: dpa; Montage: ARD

Oben: Thomas Müller vor Weltstar Lionel Messi. Wie der Zweikampf endete auch das Spiel. Deutschland schlug Argentinien im Viertelfinale 4:0 - auch dank des Führungstors von Thomas Müller.

Unten links: Wegen seiner natürlichen Art gern gesehener Interviewpartner bei Pressekonferenzen.

Unten rechts: Müller freut sich gemeinsam mit Sturmpartner Miroslav Klose.

Zur Person

Name:
Thomas Müller
Geboren:
13. September 1989 in Weilheim/Oberbayern

Karriere-Highlights

  • WM-Torschützenkönig 2010 (fünf Treffer, drei Assists)
  • Bester Jungprofi bei der WM 2010
  • 3. Platz bei der WM 2010
  • Deutscher Meister 2010, 2013 und 2014 mit Bayern München
  • DFB-Pokalsieger 2010, 2013 und 2014 mit Bayern München
  • DFL-Supercup-Sieger 2010 und 2012 mit Bayern München
  • Champions-League-Finalist 2010 und 2012 mit Bayern München
  • Champions-League-Sieger 2013 mit Bayern München
  • Gewinner der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 2013 mit Bayern München
  • UEFA-Supercup-Sieger 2013 mit Bayern München
  • Silbernes Lorbeerblatt 2010
  • Bayrischer Sportpreis 2010