Guillermo Stábile, der Argentinien 1930 mit acht Treffern zur Vizeweltmeisterschaft und sich zum WM-Torschützenkönig schoss, machte als Geschäftmann abseits des Fußballplatzes Millionen.
Die Fans nannten ihn ehrfurchtsvoll "El Filtrador". Guillermo Stábile war berühmt als der Mann, der durch den "Filter" kam, um seine Tore zu schießen. Es ist mehr dem Zufall denn seiner Begabung anzulasten, dass er überhaupt Fußballer wurde. Mit Talent war er eher spärlich gesegnet. Dafür war er pfeilschnell. Bereits mit 15 Jahren lief er die 100 Meter in elf Sekunden. Um es aber in die erste Mannschaft seines Vereins Hurican zu schaffen, bedurfte es schon einer Verletzung des etatmäßigen Mittelstürmers. Stábile, von Hause aus eigentlich Flügelstürmer, fühlte sich auf dieser Position pudelwohl. Gleich in der ersten Saison wurde er mit 48 Treffern argentinischer Torschützenkönig.
Stábile produzierte Tore in Serie, und das verdankte er einem Trick, dem "Filter". Der erinnerte stark an die so genannte "Ulicka", an das tschechische "Gässchen". Stábiles technisch beschlagenere Mitspieler im Sturm zogen durch Dribblings und Ballhalten die gegnerischen Verteidiger auf sich. In den dadurch frei gewordenen Raum, den "Filter", spielten sie die Bälle Stábile in den Lauf. Der nahm die Vorlagen dankbar an, wobei ihm sein schneller Antritt und sein harter Schuss zugute kamen.
Geschichte schrieb der Argentinier auch beim 6:3-Sieg über Mexiko, als ihm der erste WM-Hattrick gelang. Auch hier half Stábile wieder eine, zumindest für ihn, glückliche Fügung. Halbstürmer Cherro hatte nach dem 1:0-Sieg über Frankreich vor Freude einen Nervenzusammenbruch erlitten, konnte nicht mehr aufgestellt werden. Stábile kam. Stábile sah. Stábile traf - eben drei Mal. Ein Hattrick gelang ihm auch im ersten Spiel für den FC Genua, bei dem er nach der WM Profi wurde.
Stábile kickte in Europa auch noch für Neapel und Red Star Paris. Kuriosum am Rande: Fußballer konnten zur damaligen Zeit noch für verschiedene Nationalmannschaften antreten. So spielte Stábile auch für die "Equipe Tricolore". In einem Match gegen Österreich schoss er für Frankreich einmal vier Tore. Dem Fußball blieb er nach der Karriere als Trainer treu. Sein größter Erfolg als Coach war der Gewinn der Südamerika-Meisterschaft mit Argentinien 1956.
Auch abseits des Fußballplatzes war Stábile auf der Sonnenseite des Lebens zu Hause. Seine Intelligenz und sein Charisma waren sprichwörtlich, als Geschäftsmann hatte er Millionen verdient, und Schlag bei Frauen hatte er auch.
Stábile war ein rundum "gemachter Mann". Als er 1966 starb, weinten die oberen Zehntausend von Buenos Aires an seinem Grab. Beerdigt wurde er wie ein Staatsmann. Ganz Argentinien trug Trauer, die Zeitungen ergossen sich in Nachrufen, im ganzen Land wurden Messen für ihn abgehalten. Nur eines hatte der Erfolgsmensch nie geschafft: Argentinien zum Fußball-Weltmeister zu machen.
Frank Menke
Stábile bei einem seiner acht Treffer für Argentinien und als Trainer der argentinischen Nationalmannschaft in den fünfziger Jahren.