Der eigensinnige Garrincha gilt als der beste Rechtsaußen aller Zeiten. Bei der WM 1962 dribbelte er zu Weltruhm. Er wurde mit vier Treffern und per Los Torschützenkönig und zum besten Spieler des Turniers gekürt.
Dass er überhaupt laufen konnte, ist verblüffend. Als er in einem Dorf im brasilianischen Urwald das Licht der Welt erblickte, galt er als behindert. "Jetzt schicken sie mir schon einen Krüppel", entfuhr es Botafogo-Coach Cardoso, als ihm der 20-jährige Garrincha zum Vorspielen geschickt wurde. Er schoss mit dieser Bemerkung ein klassisches Eigentor. Wie Slalomstangen umkurvte der Junge aus dem Urwald Weltklassespieler wie Nilton Santos, gab die Stars ein ums andere Mal der Lächerlichkeit preis. "Er spielte, ohne ein Bandit zu sein, außerhalb der Gesetze des Spiels", schwärmte der Autor Hans Blickensdörfer ob Garrinchas unerschöpflichen Trick-Repertoires.
Eine solche Entwicklung hätte bei seiner Geburt im Urwald Brasiliens niemand für möglich gehalten. Das Baby war behindert, seine Beine deformiert. Um überhaupt jemals darauf stehen zu können, war eine gefährliche Operation nötig. Trotzdem blieb das linke O-Bein sechs Zentimeter kürzer als das rechte X-Bein. Ein Orthopäde riet dem Jungen, Fußball zu spielen, um mit seiner Behinderung fertig zu werden. Ein Rat, der den Weltfußball noch revolutionieren sollte.
"Ohne Garrincha wäre ich nicht dreifacher Weltmeister geworden", gab selbst Pelé zu. Für Furore sorgte der Individualist erstmals bei der WM 1958, als er mit nie gesehenen Tricks seine Gegenspieler düpierte. Seine Glanzzeit hatte er vier Jahre später in Chile, als er den früh verletzten Pelé fast vergessen machte. Garrincha führte einem verzücktem Weltpublikum vor, was Nilton Santos damit gemeint hatte, dass man mit Garrincha alleine Weltmeister werden könne, weil er in der Lage sei, jede Abwehrtaktik ad absurdum zu führen.
Genialität und Wahnsinn lagen bei dem Brasilianer allerdings nah beieinander. Er war auch bei den eigenen Mitspielern gefürchtet ob seiner Eigensinnigkeit. "Spielwitz und Wirksamkeit galten bei Garrincha nie einem Mannschaftskonzept, sondern beschränkten sich in erster Linie auf seine eigene Person", heißt es im "Lexikon berühmter Fußballer" über den Alleinunterhalter, der eigentlich Manoel Francisco dos Santos hieß. Seinen Künstlernamen verdankte er dem gleichnamigen Urwaldvogel aufgrund des gleichen schaukelnden Gangs.
Garrincha war eine solche Attraktion, dass ihn sein Verein Botafogo der lukrativen Antrittsgelder wegen bei jedem Freundschaftsspiel einsetzte - ungeachtet seiner körperlichen Verfassung. Sein Meniskus war längst kaputt, Sehnen und Gelenke litten, immer wieder wurde er fit gespritzt. Notwendige Operationen schob er jahrelang vor sich her, kurierte sich stattdessen selbst mit Urwaldheilkräutern.
Bei der Weltmeisterschaft 1966 gelang ihm zwar noch einmal ein Comeback, doch im Vergleich zu einst war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Sein 57. Länderspiel gegen Ungarn war sein letztes und zugleich seine erste und einzige Niederlage bei einer WM. "Der Garrincha, den wir bei der Weltmeisterschaft 1966 erlebten, war kein Star mehr, sondern ein armseliger Clown, der von der Bühne gefegt wurde in die Schmiere", urteilte der Autor Blickensdörfer.
Links: Stürmischer Antritt - Garrincha im Endspiel gegen die CSSR am 17. Juni 1962.
Rechts oben: Garrincha feiert nach dem Finalsieg den zweiten WM-Titel für Brasilien.
Rechts unten: Garrincha mit einer seiner acht Töchter.