Zur richtigen Zeit die richtige Idee? – Auf die Fußball-WM trifft genau das nicht zu. Als FIFA-Vizepräsident Wilhelm Hirschmann (Foto) auf dem ersten Kongress des Weltverbandes im Mai 1904 erstmals die Vision eines "Weltturniers" auf den Tisch brachte, stieß er im besten Fall auf Desinteresse, im schlechtesten auf offene Ablehnung. Fußball war, insbesondere in weiten Teilen Europas, verpönt als der Proletensport aus England, bei dem Rabauken in kurzen Hosen unsinnigerweise einer Lederkugel hinterher jagen.
Das Fußball-Mutterland England fühlte sich von Anfang an in seiner selbst gewählten Isolation am wohlsten. Bezeichnend, dass die Briten die Einladung zur FIFA-Gründungsversammlung nicht einmal beantworteten. Auch Deutschland oder Italien und die Südamerikaner glänzten durch Abwesenheit. Doch Hirschmann blieb am Ball, brachte die Idee aufs Tapet, das Fußballturnier bei den Olympischen Spielen 1916 in Berlin gleichzeitig als WM laufen zu lassen. Der Erste Weltkrieg machte diesen Plan zunichte.
Die Initialzündung zur Ausrichtung einer WM war 1921 die Wahl des Franzosen Jules Rimet zum FIFA-Präsidenten. In seiner Ägide, die bis 1954 währte, schraubte er die Zahl der Mitgliederverbände von 20 auf 85 hoch. Angesichts der frischen Popularität, die der Fußball bei den Olympischen Spielen 1924 und 1928 gewonnen hatte, forcierte er maßgeblich die Idee einer Weltmeisterschaft. Am 28. Mai 1928 war es dann so weit: Die FIFA beschloss, 1930 eine echte WM auszutragen. Nachdem etliche europäische Verbände gemauert und die Austragung abgesagt hatten, erhielt schließlich der zweifache Olympiasieger Uruguay den Zuschlag.
Der Rest ist Geschichte. Heutzutage ist die Fußballmeisterschaft gemeinsam mit den Olympischen Spielen das globale Medienereignis Nummer eins. Für die erste WM 1930 bekamen die Organisatoren mit Mühe und Not 13 Mannschaften zusammen. Bei der letzten Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea waren es 32. Und insbesondere die vielen kleineren nationalen Verbände sähen es gerne, wenn das Teilnehmerfeld weiter aufgestockt würde. Denn mehr Öffentlichkeit als durch eine Fußball-WM lässt sich wohl kaum herstellen. Keine Frage: "König Fußball" regiert die Welt ...
Frank Menke
Oben: der Jules-Rimet-Pokal - Objekt der Begierde der WM-Teilnehmer von 1930 bis 1970. Brasilien durfte 1970 nach dreimaligem Gewinn den WM-Pokal behalten. Allerdings wurde er 1983 in Rio gestohlen.
Unten links: Der Namensgeber des Pokals, der FIFA-Vorsitzende von 1921 bis 1954 Jules Rimet bei der Siegerehrung der WM 1954; Rechts: die Mannschaft von Uruguay, die am 30.07.1930 im heimischen Montevideo den ersten WM-Titel der Fußballgeschichte holte.